Veranstaltung: | 68. Landesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge |
Antragsteller*in: | Till Walter |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.04.2021, 20:05 |
A1: Generation lost? - Mentale Gesundheit von jungen Menschen endlich ernstnehmen
Antragstext
Während psychotherapeutische Berufsverbände reihenweise Alarm schlagen, fließen
Milliarden an die Lufthansa. Die psychische Belastung steigt, Ängste und
Depressionen nehmen zu. Eine Generation junger Menschen fühlt sich lost, doch
wir sind nicht lost – wir wurden zurückgelassen.
Um psychische Belastung bei Kindern und Jugendlichen zu reduzieren, stellen wir
uns klar hinter den Rat der Expert*innen und schließen uns den folgenden
Forderungen des BVVP, sowie über 20 weiterer psychotherapeutischer und
ärztlicher Berufsverbände an:
1. Gründung eines Jugend-/Kinderrats analog dem Ethikrat
Wir fordern die Einrichtung eines Jugend- und Kinderrates (analog dem deutschen
Ethikrat.) Dieser Jugend- und Kinderrat kann aus Vertreterinnen und Vertretern
der Kinder- und Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendmedizin, Politik und
Verwaltung, aber auch aus Vertreterinnen und Vertretern aller Betroffenen, das
heißt Eltern, Jugendlichen und Kindern bestehen.
Ziel soll sein: Gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie Kinder und Jugendliche
während des noch andauernden Lockdowns, aber auch in der Folgezeit dauerhaft
besser unterstützt werden können.
2. „Wenn jemand spricht, wird es heller.“: Einrichtung einer zentralen,
deutschlandweit beworbenen Hilfsnummer für Kinder und Jugendliche in Not
Lockdown bedeutet für viele Kinder und Jugendliche allein sein, ratlos sein,
hilflos sein. Lockdown kann auch bedeuten, 24/7 in einer kleinen Wohnung ohne
Rückzug- und Erholungsmöglichkeit mit gereizten und überforderten Eltern und
Geschwistern zu leben. Die physische Begegnung mit den Freunden, mit der
Peergroup, der Austausch mit Lehrern und Trainern fehlen.
Die Hotline, die wir fordern, gibt es nicht umsonst. Die Einrichtung selbst
kostet Geld, die Therapeut*innen müssen angemessen bezahlt werden. Und es
braucht einen Kampagnenetat, mit dem die Hotline rasch und überall im
öffentlichen Raum bekannt gemacht wird.
3. „Komm um drei im Park vorbei“: Bundesweite Sport, Bewegungs- und kulturelle
Aktivitäten als Sofortmaßnahme - umsonst, für alle und draußen
Für eine gesunde psychische Entwicklung sind Kontakte mit Gleichaltrigen für
Kinder- und Jugendliche notwendig. Deswegen müssen ihnen SOFORT - und
gegebenenfalls auch in einem dritten Lockdown - Angebote gemacht werden, die
zugleich dem derzeitigen Gebot, Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu ergreifen und
den existenziellen Kontaktbedürfnissen der jungen Generation gerecht werden.
An jedem Nachmittag könnten - bei Einhaltung der AHA-Regeln - auf öffentlichen
Plätzen wie Spielplätzen, Grünanlagen und Parks Mitmach-Angebote unterbreitet
werden: Sportlehrer*innen und Übungsleiter*innen aus Vereinen, aber auch Träger
der offenen Jugendarbeit könnten verschiedene Bewegungsangebote von Laufspielen
über Krafttraining oder Yoga bis zu Line-Dance anbieten. Offene kulturelle
Angebote wie Singen, Zaubern, Trommeln, Graffiti, Schauspieltraining oder
Straßentheater könnten vor allem Kindern und Jugendlichen auf diesem Weg eine
Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
Selbstwirksamkeitserleben und Erfolgserlebnisse außerhalb der Schule mit ihren
Leistungsanforderungen unter schwierigen Rahmenbedingungen sind in diesen Zeiten
besonders wichtig, denn Kinder und Jugendliche brauchen gerade jetzt mehr als
Schule! Dabei ist es notwendig, diese Angebote flächendeckend und
niederschwellig anzubieten, um allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe
unkompliziert und im eigenen Ort oder Wohnviertel zu ermöglichen.
Unter dem Motto „Komm um drei im Park vorbei“ könnte eine bundesweite Kampagne
starten, die es ALLEN ermöglicht, wieder in Bewegung zu kommen und soziale
Kontakte zu erleben.
4. Niederschwellige und längerfristig angelegte Kurs- und Projektangebote für
Kinder- und Jugendliche außerhalb des Schulunterrichts
Sobald es die Situation erlaubt, muss für Kinder und Jugendliche ein breites
Angebot zur außerschulischen Entwicklung bereitstehen. Mit dem Fokus auf
Selbstwirksamkeit und Gemeinschaftlichkeit sollten Präventionsangebote die
psychische Gesundheit von Familien und Kindern stärken. Längerfristige Musik-,
Theater- und Tanzprojekte, handwerkliche, soziale, ökologische oder sportliche
Projekte sollten kostenlos und niederschwellig an öffentlichen Orten angeboten
werden. Für diese Angebote sollten Kinder, Jugendliche und Begleitpersonen
mindestens ein Jahr lang den Nahverkehr kostenfrei nutzen dürfen.
5. Initiative zur Anwerbung von Honorarkräften unter soloselbstständigen
Kunstschaffenden und beschäftigungslos gewordenen Personen aus dem Kultur- und
Sportbereich zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen
Für jedes Kind, für jeden Jugendlichen ist es wichtig, soziale Erfahrungen zu
machen, seine Stärken zu erfahren, sich auszuprobieren, ein gutes
Selbstwirksamkeits- und Selbstwertgefühl zu entwickeln und in der kulturellen
Teilhabe zu erfahren, dass sich ganz unterschiedliche Zugänge zur Welt eröffnen.
Dass Sport- und Kulturprojekte durch entsprechende Hilfen genauso unterstützt
werden müssen wie die sogenannten systemrelevanten Bereiche, liegt auf der Hand.
Daher sollte eine Initiative zur unterstützenden Beschäftigung von
soloselbständigen Kulturschaffenden, pädagogischen Hilfskräften aus dem
künstlerischen Bereich, Dozent*innen an Jugendkunst- und Jugendmusikschulen,
Sportlehrer*innen, Trainer*innen aus Vereinen oder Fitnessstudios etc. auf den
Weg gebracht werden, um Sofortmaßnahmen und längerfristige Projekte gemeinsam
mit pädagogischem Fachpersonal realisieren zu können.
Solche Projekte können berufliche Existenzen absichern und wesentlich dazu
beitragen, die psychosozialen Folgen der Pandemie für Kinder abzumildern.
Als Grüne Jugend RLP stellen wir uns uneingeschränkt hinter die Forderungen des
Bundesverbands der Vertragspsychotherapeut*innen (BVVP) und der über 20 weiteren
psychotherapeutischen und ärztlichen Berufsverbände.
Außerdem wiederholen wir in diesem Kontext unsere Forderung: Noten müssen
abgeschafft werden, zugunsten der Einführung individueller Lern- und
Entwicklungsberichte, verbunden mit Selbsteinschätzungen. Wir halten den
unverhältnismäßigen Leistungsdruck nach wie vor für unzumutbar – und die Zeit &
Kraft pädagogisch ausgebildeter Fachkräfte (Lehrer*innen!) in einer sozialen
Krise für zu kostbar, als dass sie mit Klausurbenotung verschwendet werden
sollte.
Wir setzen uns insbesondere gegenüber dem GRÜNEN Landesverband Rheinland-Pfalz
und der Landesregierung Rheinland-Pfalz für die Umsetzung der Maßnahmen ein, um
Kindern, Jugendlichen & Eltern endlich angemessene, auf Expertenmeinungen
basierte Unterstützung zu geben.
Wir dürfen nicht zulassen, dass psychisches Leid weiterhin ungehört bleibt.
Wir lassen niemanden zurück.
Begründung
Psychische Belastung hat zugenommen. Bei einer Befragung unter Kinder- & Jugendpsychotherapeut*innen (BVVP, n=401) gaben 23,9% der Befragten an, eine Zunahme von Suizidalität bei ihren Patient*innen beobachtet zu haben. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Patientenanfragen in den psychotherapeutischen Praxen im Januar sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 40 % gestiegen (Umfrage der DPtV, n= 4.693). Dass es im psychotherapeutischen Bereich in Deutschland eine Unterversorgung gibt ist weithin bekannt. Durch die Coronapandemie verschlimmert sich die Lage nun zusätzlich, und die alten Probleme werden zunehmend sichtbar.
Die Probleme wurden auch schon von der GJ auf Bundesebene erkannt (54. BuKo, V-3-B Verbesserte Therapie, Versorgungslage und Prävention von psychischen Krankheiten). Lasst uns dran arbeiten, endlich was für psychisch kranke Menschen in Deutschland & RLP zu tun!
„Kinder und Jugendliche sind von Kontaktsperren und häuslicher Isolation in besonderem Maße betroffen. Schon jetzt zeigen sich Entwicklungsstörungen, die sich vermutlich im Verlauf der nächsten Monate und Jahre zu größeren Problemen auswachsen werden, wenn nicht rechtzeitig und qualifiziert für Abhilfe gesorgt wird." (BVVP, VAKJP)
„Nach den Bestimmungen der UN- Kinderrechtskonvention gilt in der Bundesrepublik ohne Einschränkung, dass bei allen Maßnahmen von privaten und öffentlichen Einrichtungen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen (UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) in Art. 3 Abs. 1) ist. Die UN-Kinderrechtskonvention garantiert Kindern und Jugendlichen auch, dass ihnen ermöglicht werden soll, sich eine eigene Meinung zu bilden und in allen sie berührenden Verwaltungsverfahren gehört zu werden (UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) in Art. 12 Abs. 1 und 2).“ (BVVP, VAKJP)
Quellen
BVVP – Kinder brauchen mehr / Jugend braucht mehr
https://bvvp.de/kinder-brauchen-mehr-jugend-braucht-mehr/
Pressemappe zur Veranstaltung & Statements von Vertreter*innen
https://bvvp.de/wp-content/uploads/2021/03/20210316-Pressemappe_Online-Veranstaltung-Verbaendebuendnis_Kinderbrauchenmehr_Jugendbrauchtmehr_public-1.pdf
Unterstützende Vereinigungen
https://bvvp.de/wp-content/uploads/2021/03/20210316-Liste-der-Unterstuetzenden-Verbaende_public.pdf
ZDF – Kassensitze. Das lange Warten auf Therapieplätze
Video: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-psyche-in-not-102.html
Text: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-psychotherapie-therapieplaetze-100.html
Psychische Belastung bei Kindern & Jugendlichen hat zugenommen – COPSY Studie
https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html
Noten abschaffen (Forderung des GJ RLP Jugendwahlprogramms)
https://gj-rlp.de/ltw2021/programm-2021/
Änderungsanträge
- Ä1 (Jonas Volkmann, Eingereicht)
Kommentare
Felix Kalabza: